Verehrte Leserin,
verehrter Leser,

„KI ersetzt nicht den Gutachter. Sie ist sein Autopilot – starten und landen muss der Mensch.“

Es vergeht kaum ein Tag, an dem uns nicht ein ehemals halbwegs prominenter Formel1-Fahrer fragt, ob wir denn nicht wissen wollten, was unser Auto wert ist. Aber wer sagt uns denn, was unsere Immobilien wert sind? Richtig, die Gutachterin bzw. der Gutachter. Ehedem mit Klemmbrett, Maßband und der Gabe, Quadratmeterpreise mit fast liturgischer Ruhe zu verkünden. Heute heißt es: Bitte freimachen zum digitalen Check – der Algorithmus ist da. Künstliche Intelligenz als Immobiliengutachter: Das klingt nach Science-Fiction, ist aber längst Realität.

Denn was Banken, Fonds und Asset Manager heute umtreibt, ist nicht mehr nur die Frage „Wie viel ist mein Objekt wert?“, sondern auch: „Wie schnell, wie transparent, wie standardisiert?“ Früher brauchte es Wochen für ein umfassendes Gutachten. Heute reichen ein paar Datenpunkte, ein trainierter Algorithmus – und schon steht der Wert. Klingt verlockend. Doch: Ein Algorithmus kennt Marktpreise, Baujahre und Energieausweise. Aber riecht er den muffigen Keller? Spürt er, dass das „attraktive Wohnumfeld“ eine Dauerbaustelle ist? Genau da bleibt die menschliche Expertise unersetzlich.

Was die Maschine dagegen beherrscht: Muster. Mietspiegel, Energiekennwerte, Lagequalität – all das fügt sie in Sekunden zu einem Bild zusammen. Sie ist schnell, unbestechlich und (meist) fehlerfrei in der Rechenarbeit. Aber sie ist auch selbstbewusst – manchmal ein bisschen zu sehr. Wer erlebt hat, wie eine KI mit voller Überzeugung einen Wert präsentiert, der in der Realität abenteuerlich wirkt, weiß: Auch hier gilt „Trust, but verify“.

Die wohl wichtigste Erkenntnis: KI ersetzt nicht den Gutachter, sie erweitert ihn. Man könnte sagen: Der Algorithmus ist der Autopilot, der Routinearbeiten übernimmt. Aber starten und landen – das macht bitte weiterhin der Pilot. Übersetzt: Die finale Bewertung, das Gespür für Lage, Architektur und Mieterstruktur – das bleibt menschlich.

Also, liebe Immobilienprofis: Keine Angst vor dem Algorithmus. Er will nur rechnen. Am Ende entscheidet nicht die Maschine, sondern der Mensch. Und das ist auch gut so.

Bis zur nächsten Ausgabe und bleiben Sie gesund!
Ihr
Stefan Stüdemann